Zur Klarstellung: Die Aussetzung des Familiennachzugs bis zum 16.3.2018

Zur Klarstellung: Die Aussetzung des Familiennachzugs bis zum 16.3.2018 betrifft subsidiär Schutzberechtigte, nicht anerkannte Flüchtlinge

die Aussetzung des Familiennachzugs betrifft keine Asylberechtigten und keine anerkannten Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention.

Betroffen sind diejenigen, denen subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylG zuerkannt wurde und denen nach dem 17.3.2016 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative AufenthG erteilt wurde.

Für diese Personen wird der Familiennachzug bis zum 16.3.2018 ausgesetzt. Erst danach können sie den Familiennachzug nach § 29 Absatz 2 AufenthG beantragen.

Missverständlich ist es, wenn von einer zweijährigen Aussetzung des Familiennachzugs gesprochen wird. Diese Regelung gilt bis zum 16.3.2018. Bei Inkrafttreten der Regelung am 17.3.2016 waren das natürlich zwei Jahre, aber wenn jemand heute davon betroffen ist, sind es noch ein Jahr und 10,5 Monate usw. Der Familiennachzug wird also für subsidiär Schutzberechtigte nicht generell für zwei Jahre ausgesetzt, sondern für die Dauer bis zum 16.3.2018.

Aussetzung des Familiennachzugs ist in dem neuen § 104 Abs. 13 AufenthG geregelt. Dort heißt es:

Bis zum 16. März 2018 wird ein Familiennachzug zu Personen, denen nach dem 17. März 2016 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative erteilt worden ist, nicht gewährt. Für Ausländer, denen nach dem 17. März 2016 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative erteilt wurde, beginnt die Frist des § 29 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 ab dem 16. März 2018 zu laufen. Die §§ 22, 23 bleiben unberührt.“

Das heißt im Umkehrschluss, dass der Familiennachzug für diejenigen, denen der subsidiäre Schutz bereits zuerkannt wurde und die außerdem ihre Aufenthaltserlaubnis schon bis zum 17.3.2016 bekommen haben, nicht ausgesetzt wird. Sie können den Familiennachzug auch jetzt noch beantragen. Für sie gilt weiterhin die Regelung des § 29 Abs. 2 AufenthG (einschließlich der Drei-Monats-Frist des § 29 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AufenthG).

Für diejenigen, die von der Aussetzung des Familiennachzugs betroffen sind, beginnt die Drei-Monats-Frist des § 29 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AufenthG am 16.3.2018 (siehe Satz 2 des § 104 Abs. 13 AufenthG). Wenn sie nach dem 16.3.2018 den Familiennachzugsantrag innerhalb von drei Monaten stellen, müssen sie dann nicht die Voraussetzungen des gesicherten Lebensunterhalts und ausreichenden Wohnraums erfüllen.

Anerkannte Flüchtlinge sind von der Aussetzung des Familiennachzugs nicht betroffen!

Für diejenigen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde, gilt die neue Regelung des § 104 Abs. 13 AufenthG nicht. Anerkannte Flüchtlinge bekommen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 1 erste Alternative, Asylberechtigte nach § 25 Abs. 1 AufenthG. Für sie besteht die Möglichkeit des Familiennachzugs nach § 29 Abs. 2 AufenthG uneingeschränkt weiter.

In Zukunft weniger Flüchtlingsanerkennungen, mehr subsidiärer Schutz

Es ist zukünftig zu erwarten, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge z.B. syrischen und irakischen Flüchtlingen nicht mehr wie bisher immer die Flüchtlingseigenschaft, sondern vermehrt nur noch den subsidiären Schutz zuerkennt. Ansonsten würde die Regelung zur Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte aus Sicht der Regierung keinen Sinn machen. Im letzten Jahr hat das BAMF nur 1707 Personen subsidiären Schutz zuerkannt, aber 137136 Personen als Flüchtlinge anerkannt (davon SyrerInnen: 101137 Flüchtlingsanerkennungen, 61 Personen subsidiärer Schutz). Wegen 1707 subsidiär Schutzberechtigte muss die Regierung nicht monatelang über die Aussetzung des Familiennachzugs streiten. Diese Regelung macht aus Sicht der Regierung nur Sinn, wenn das Recht auf Familiennachzug einer deutlich größeren Zahl von Betroffenen vorenthalten werden kann.

Demzufolge hat das Bundesamt bereits angefangen, syrischen Flüchtlingen nicht mehr wie bisher im schriftlichen Verfahren quasi automatisch die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, sondern jeden einzelnen zu den Fluchtgründen anzuhören und Einzelfallentscheidungen zu treffen. Es ist davon auszugehen, dass dadurch häufiger nicht mehr die Flüchtlingseigenschaft, sondern nur subsidiärer Schutz zuerkannt wird – u.a. mit der Folge, dass bis März 2018 kein Familiennachzug beantragt werden kann.

Zur Vorbereitung auf die mündliche Anhörung beim Bundesamt ist es für Flüchtlinge daher wichtig zu wissen, nach welchen Kriterien eine Flüchtlingsanerkennung in Betracht kommt und wann nur subsidiärer Schutz gewährt werden kann.

Nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) liegt eine Flüchtlingseigenschaft vor, wenn die betroffene Person aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer „Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe“ Schutz sucht (siehe § 3 Abs. 1 sowie §§ 3a bis 3c AsylG). Entscheidend ist, dass eine Flüchtlingseigenschaft nur dann zuerkannt werden kann, wenn die betroffene Person wegen einer der genannten Gründe von schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen und Verfolgung betroffen war oder diese drohen.

Beispiele: Ist jemand als Angehöriger einer ethnischen Minderheit von Verfolgung betroffen, handelt es sich um Verfolgung wegen seiner „Rasse“. Wird jemand verfolgt, weil er Yezide ist, zielt diese Verfolgung auf die Religionszugehörigkeit. Wird jemand in Haft genommen und gefoltert, weil er als Regimegegner angesehen wird, handelt es sich um politische Verfolgung. Geschlechtsspezifische Verfolgung, Verfolgung wegen Homosexualität u.ä. knüpfen an die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe an. In den §§ 3a bis 3c AsylG sind die Kriterien näher beschrieben (§ 3a: Verfolgungshandlungen, § 3b: Verfolgungsgründe, § 3c: Verfolgungsakteure).

Nur wenn zwischen der erlittenen oder drohenden Verfolgung und einer der fünf Kriterien nach der Genfer Flüchtlingskonvention ein Zusammenhang besteht, also die Verfolgung wegen einer dieser Gründe passiert ist, ist diese Verfolgung flüchtlingsschutzrelevant.

War ein Flüchtling aus solchen Gründen von Verfolgung betroffen, kommt es in der mündlichen Anhörung beim Bundesamt daher entscheidungserheblich darauf an, diese Gründe darzustellen.

Subsidiärer Schutz wird dagegen dann gewährt, wenn dem Betroffenen „ein ernsthafter Schaden“ droht (§ 4 Abs. 1 AsylG), dieser aber eben nicht im Zusammenhang mit einem der Kriterien nach der Genfer Flüchtlingskonvention steht. Als „ernsthafter Schaden“ sind in § 4 Abs. 1 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts genannt.

Mit einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt ist in Syrien immer zu rechnen, so dass jeder syrische Flüchtling zumindest subsidiären Schutz zuerkannt bekommt. Ebenso drohen Folter und andere schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, wenn jemand z.B. in die Hände der IS-Miliz oder syrischer Sicherheitskräfte fällt.

Ist ein Flüchtling aber wegen einer der fünf GFK-Merkmale von solchen Gefahren bedroht, liegen nicht nur die Voraussetzungen für einen subsidiären Schutz vor, sondern für eine Flüchtlingsanerkennung nach § 3 Abs. 1 AsylG.

Die Frage, ob einem Flüchtling „nur“ ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG droht oder diese Gefahren an einem der fünf GFK-Merkmale anknüpfen und somit flüchtlingsschutzrelevant sind, lässt sich nicht trennscharf unterscheiden und kann sehr unterschiedlich beurteilt werden.

In den Fällen, in denen die Flüchtlingsanerkennung abgelehnt und nur subsidiärer Schutz zuerkannt wird, sollten die Betroffenen daher gegen die Ablehnung der Flüchtlingsanerkennung eine Klage beim Verwaltungsgericht in Erwägung ziehen.

 

Mit freundlichen Grüßen

Bernd Tobiassen

DRK Aurich